Deutschland verweigert indischer Leihmutter die Einreise

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4 March 2010

Deutschland verweigert indischer Leihmutter die Einreise

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Neu Delhi/Ulm. Seit zwei Jahren kämpft eine deutsche Familie darum, ihre in Indien geborenen Kinder nach Deutschland bringen zu dürfen. Weil eine Leihmutter die Buben ausgetragen hat, verweigern die Behörden ihre Zustimmung.

Es ist ein nicht enden wollender behördlicher Albtraum, mit dem das Ehepaar aus Bayern wohl nicht gerechnet hat: Seit zwei Jahren streitet das Paar mit den Behörden darum, seine in Indien geborenen Zwillinge nach Deutschland holen zu dürfen. Doch die deutschen Behörden wollen den Kindern keinen Pass ausstellen. Das Problem: Eine Leihmutter hat die Jungen geboren. Dies ist aber nach deutschem Recht verboten. Indien - wo Leihmutterschaft legal ist - hält die Kinder wegen ihrer Eltern für deutsche Bundesbürger. Reisedokumente für sie gibt es deshalb auch in Indien nicht. Die zweijährigen Buben sind somit staatenlos. Nun drängt die Zeit, denn dem Vater, der seit der Geburt bei den Kindern lebt, droht nach Ablauf seines Visums die Abschiebung - ohne die Zwillinge.

Gestern äußerte sich der 47-jährige Kunsthistoriker, der anonym bleiben will, gegenüber der ARD. Die rechtliche Lage in Deutschland hätten er und seine Frau gekannt, sagte der Mann. Weil die Kinder im Ausland zur Welt kamen, habe er darin aber kein Problem gesehen: "Wir haben eine Woche nach Geburt der Kinder mit der Botschaft telefoniert und denen gesagt, dass es eine Leihmutterschaft ist." Die Botschaft habe daraufhin mitgeteilt, dass man die Familie nicht unterstützen könne. "So saßen wir dann allein in einem fremden Land fest."

Der Ulmer Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser vertritt das Paar seit anderthalb Jahren. Das Verhalten der deutschen Behörden bezeichnet er als "erbärmlich". Weil man die Leihmutterschaft hier nicht wolle, ziehe man die Sache zu Lasten der Kinder durch. "Da will man ein klares Signal setzen", sagte er. Dabei sei eigentlich alles klar: Die Leihmutter erhebe keinen Anspruch auf die Kinder, habe auch keinen Kontakt mehr zu ihnen. Der Vater lebe mit den Jungen zusammen und spreche Deutsch mit ihnen. "Das Eltern-Kind-Verhältnis ist auf jeden Fall da", sagt Oberhäuser. Für ihn ist sein Mandant der Dumme, der für seine Ehrlichkeit bestraft wurde. Denn das System der Leihmutterschaft laufe schon relativ lange und recht unproblematisch (siehe Infokasten). Dass die Geschichten mit den geliehenen Müttern häufig unauffällig über die Bühne gehen, liegt nach Oberhäuser daran, dass viele "Wunscheltern" im Ausland einfach sich selbst als leibliche Eltern in die Geburtsurkunde eintragen lassen würden. Das prüfe niemand nach. Sein Mandant habe jedoch alles ehrlich abwickeln wollen und deshalb alles offengelegt. "Jetzt wird er seit zwei Jahren von Pontius zu Pilatus geschickt."

Der deutsche Botschafter in Neu Delhi, Thomas Matussek, wollte zu dem Einzelfall nicht Stellung nehmen. Zur Leihmutterschaft sagte er generell, in der Bundesrepublik sei sie verboten, "weil sie mit unseren Vorstellungen von Menschenwürde, wie sie im Grundgesetz verankert ist, nicht zu vereinbaren ist". Es gebe Fälle, "wo eine ganz tragische Situation dadurch entstanden ist, dass sich jemand über das Verbot hinweggesetzt hat, und nun sind diese armen kleinen Kinder in der Welt". Wenn das in Deutschland geschehe, müsse sich aufgrund seiner Fürsorgepflicht der deutsche Staat darum kümmern. Im Ausland dagegen könne der deutsche Staat nicht direkt eingreifen. Wenn - ohne ihr Verschulden - nun zwei kleine Inder in die Welt gesetzt seien, dann könne er die nicht einfach zu Deutschen machen. Das sei vom Gesetz her verboten. Das Auswärtige Amt weist auf seiner Internetseite ausdrücklich darauf hin, dass Kinder von Leihmüttern im Ausland mit deutschen "Wunscheltern" keine deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erwerben. Eine Sprecherin des Amtes wollte sich zu dem Fall nicht äußern. Die Rechtslage sei jedenfalls klar, sagte sie. Das Paar habe gegen geltendes Recht verstoßen.

Roland Kipke vom "Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften" in Tübingen steht Leihmutterschaften kritisch gegenüber. "Es ist ein fundamentales Element unseres Lebens, dass man weiß, wohin man gehört", sagte der wissenschaftliche Koordinator. Durch die Leihmutterschaft werde diese natürliche Ordnung aufgebrochen. Eine wesentliche Rolle spiele auch der kommerzielle Aspekt: Dass man sich eine Leihmutter kaufen könne, mache es zusätzlich anrüchig. Im aktuellen Fall plädiert er aber für eine pragmatische Lösung. Wenn es rechtlich möglich sei, solle man die Kinder zu den Eltern lassen.

Wie der Fall ausgeht, ist derzeit noch völlig offen. Einen Eilantrag des Ehepaares, die Kinder vorläufig als Ausländer nach Deutschland einreisen zu lassen, bis der Fall geklärt ist, lehnte das Verwaltungsgericht Berlin im vergangenen Herbst ab. Oberhäuser legte Beschwerde ein. Das Verfahren liegt mittlerweile beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg.

Bliebe eine Adoption der Kinder. Doch die sei für das Ehepaar eigentlich nicht möglich, weil der Deutsche nach indischem Verständnis sowohl der leibliche, als auch der rechtliche Vater der Kinder ist, erklärte Oberhäuser. "Seine eigenen Kinder kann er nicht adoptieren." Die indische Adoptionsbehörde habe den deutschen Behörden nun aber ein Angebot vorgelegt: Sollte sich die zuständige Bundeszentralstelle für Auslandsadoption in Bonn einverstanden erklären, stimme man einer Adoption doch zu. Thomas Oberhäuser und seine Mandanten warten nun auf eine Antwort.

Doch der Anwalt hat es aufgegeben, auf ein glückliches Ende zu hoffen. Die Stimmung beschreibt er als "seit langem am Siedepunkt". Die Situation sei für alle Beteiligten "sehr anstrengend". Der Vater sei völlig entnervt, das Paar finanziell und psychisch am Boden. Er selbst arbeite mittlerweile kostenlos. Der Mann habe seine Selbständigkeit aufgegeben, um bei seinen Kindern bleiben zu können. Die Frau kehrte zwischenzeitlich nach Deutschland zurück, um Geld für die Familie zu verdienen, nun pendle sie zwischen den Ländern. Wie es im Fall des Scheiterns weitergeht? "Meine Mandanten werden weiter kämpfen. Wie bisher", sagte Oberhäuser.