Courtcase Dusseldorf - Ethiopian adoption refused

18 January 2011

OLG Düsseldorf vom 18.01.2011

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Beteiligten zu 1) und 2) begehren in erster Linie die Anerkennung einer ausländischen

Adoptionsentscheidung, die in der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien ergangen ist, nach

dem Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG). Ferner begehren sie, nach erfolgter Anerkennung der

Adoption diese in eine Adoption mit Wirkung deutschen Rechts umzuwandeln.

Die Beteiligten zu 1) und 2) besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit.

Mit rechtskräftiger Adoptionsentscheidung hat das erstinstanzliche Bundesgericht (Federal First

Instance Court) der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien am 01.08.2008 den

Adoptionsvertrag vom 13.06.2008 zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) einerseits und dem

Kinderheim "Kebebe Tsehai Children's Home" in Addis Abeba anderseits über die Adoption des

am 28.02.2002 geborenen Kindes … gerichtlich bestätigt. Des Weiteren wurde der Name des

Kindes laut Beschluss vom 01.08.2008 in ... geändert.

Dem notariellen Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) auf Anerkennung der ausländische Adoption

(Bl. 1 bis 7 GA) beigefügt bzw. nachgereicht wurden eine Heiratsurkunde der Beteiligten zu 1)

und 2) (BL 33 - 35 GA), eine legalisierte Geburtsurkunde des Kindes nach der Adoption vom

08.08.2008 (Bl. 12, 13 und Bl. 38 - 43 GA), der Sozialbericht vom 09.02.2008 (Bl. 44 - 48 GA),

die oben bezeichnete Adoptionsentscheidung vom 01.08.2008 (Bl. 15-17GA), der

Adoptionsvertrag vom 13.06.2008 (BL 10, 11 GA), eine unbeglaubigte Ablichtung des Schreibens

der äthiopischen Polizeibehörde vom 28.01.2008 (Bl. 13, 14 GA)sowie ein Schreiben des …

Vereins … - des Beteiligten zu 3) – an das Vormundschaftsgericht (BL 50, 51 GA).

Aus den Unterlagen und Dokumenten ist zu entnehmen, dass es sich bei dem sechsjährigen

Jungen um ein verlassen aufgefundenes Kind handelt. Der Junge hat sich zur Betreuung und

Versorgung im Kinderheim "Kebebe Tsehai Children's Home" in Addis Abeba befunden. Die

zuständige äthiopische Polizeibehörde in Addis Abeba teilte in ihrem Schreiben an das

Kinderheim "Kebebe Tsehai Children's Home" vom 28.01.2008 mit, weder die leiblichen Eltern

noch ein Vormund hätten sich gemeldet. Aus dem in Äthiopien erstellten Sozialbericht über das

Kind vom 09.02.2008 geht hervor, dass dem Polizeibericht zu entnehmen sei, dass weder die

leiblichen Eltern noch Verwandte des Kindes aufgefunden werden konnten. In welcher Form

entsprechende Ermittlungen der leiblichen Eltern des Kindes durch die äthiopischen Behörden

erfolgt sind, ist nicht zu ersehen. Auffallend ist zudem, dass dem ca. 6 Jahre alten Jungen sein

Name und der seiner leiblichen Eltern und seiner Schwester bekannt waren. Angaben des 

 Jungens zufolge handelte es sich bei seiner leiblichen Mutter um eine Hausfrau und bei seinem

leiblichen Vater um einen Hirten. Das Kind sei zwei Jahre vor seinem Auffinden durch einen

Verwandten der Familie, der versprochen hatte, sich um ihn zu sorgen und ihm den Schulbesuch

zu ermöglichen, nach Addis Abeba verbracht worden. Dort habe er 18 Stunden täglich für diesen

Verwandten gearbeitet. Er habe lediglich einmal täglich ein Stück Brot als Mahlzeit erhalten. Er

sei geschlagen worden und habe unter Hunger gelitten und sei schließlich geflohen. Nach

ungefähr 4 Tagen auf der Straße habe ihn die Polizei aufgegriffen und ihn in dem Kinderheim

untergebracht. Er wolle weder zu seinen leiblichen Eltern in … noch zu dem Verwandten in

Addis Abeba, der ihn missbraucht und ausgebeutet habe, zurück. Aus der Adoptionsentscheidung ergibt sich, dass das Ministerium für Frauenangelegenheiten

(Ministery of Women's Affairs (MOWA)) die Adoption des Kindes durch die Beteiligten zu 1)

und 2) unterstützt. Nach Prüfung der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Beteiligten zu 1)

und 2) und der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Adoption ist das erstinstanzliche

Bundesgericht der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien zu dem Ergebnis gelangt, dass die

Annahme des Kindes durch die Beteiligten zu 1) und 2) dem Wohl des Kindes dient und der

Adoptionsvertrag deshalb zu genehmigen ist.

Das Kind lebt seit dem 22.08.2008 im Haushalt der Beteiligten zu 1) und 2) in der

Bundesrepublik Deutschland.

Durch Beschluss vom 19.06.2009 (Bl. 121 - 125 GA) hat das Amtsgericht -

Vormundschaftsgericht - den Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) auf Anerkennung der

ausländischen Adoptionsentscheidung zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung haben die Beteiligten zu 1) und 2) durch ihren

Verfahrensbevollmächtigten sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 130, 131 GA), die das

Landgericht durch Beschluss vom 31.05.2010 (Bl. 194-204 GA) zurückgewiesen hat.

Gegen diesen ihnen am 25.06.2010 (Bl. 205 GA) zugestellten Beschluss wenden sich die

Beteiligten zu 1) und 2) mit der vorliegenden sofortigen weiteren Beschwerde vom 28.06.2010,

eingegangen bei Gericht am 30.06.2010 (Bl. 206 GA). Sowohl der Beteiligte zu 3) (BL 241 - 247,

Bl. 272, 273 und Bl. 274 - 281 GA) als auch der Beteiligte zu 4) (BI.250 - 258 GA, BL 284 - 287

GA) haben zur sofortigen Beschwerde Stellung genommen.

Auf den vorliegenden Fall, der die Anerkennung einer in der D

emokratischen Bundesrepublik

Äthiopien ergangenen Adoptionsentscheidung in Deutschland, zum Gegenstand hat, ist sowohl

in verfahrensrechtlicher wie auch in materiell-rechtlicher Hinsicht gemäß Art. 111 Abs. 1 und 2

FGG-RG das bis zum 31.08.2009 geltende Recht anzuwenden, da das Anerkennungsverfahren

bereits mit der Beantragung der Anerkennung der Adoption am 02.10.2008 (Bl. 1 GA) und damit

vor dem Stichtag des 31.08.2009 eingeleitet worden ist.

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) ist mithin gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2

AdWirkG in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung (a. F.) i. V. m. §§ 27, 29 Abs. 2 FGG

statthaft und gemäß §§ 5 Abs. 4 Satz 2 AdWirkG a. F., 29 Abs. 1 Satz 2, 22 Abs. 1 Satz 1 FGG

zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die sofortige weitere Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Gemäß § 2 Abs. 1 AdWirkG a. F. stellt das Vormundschaftsgericht auf Antrag fest, ob die

Annahme als Kind im Sinne des § 1 AdWirkG a. F. anzuerkennen oder wirksam und ob das

Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist.

Die Anerkennung einer im Ausland erfolgten Adoption setzt außerhalb des Anwendungsbereichs

des Haagener Übereinkommens vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die

Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (BGBl. II 2001, S. 1034) voraus,

dass die Annahme als Kind auf der Entscheidung eines ausländischen Gerichts oder einer

gleichzustellenden Behörde beruht, es sich also um eine sog. Dekret-Adoption handelt. Im

vorliegenden Fall geht es um die Anerkennung einer in der Demokratischen Bundesrepublik

Äthiopien vom erstinstanzlichen Bundesgericht (Federal First Instance Court) bestätigten

Adoptionsvertrages, der zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) einerseits und dem

Kinderheim "Kibebe Tsehai Children's Home" in Addis Abeba anderseits in Bezug auf das

betroffene Kind geschlossen worden war, also um die Prüfung der ausländischen Entscheidung

anhand der Regelungen in § 16 a FGG.

Zutreffend ist, dass Art. 23 des Haager Übereinkommens vom 29. Mai 1993 über den Schutz von

Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (HAU) auf den

vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Die Demokratische Bundesrepublik Äthiopien ist dem

Abkommen nämlich bislang nicht beigetreten und ist deshalb nicht Vertragsstaat des

Übereinkommens .

Gemäß § 16 a Nr. 4 FGG ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen,

wenn sie zu dem Ergebnis führt, dass sie mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts,

insbesondere den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist. Da es sich um eine

grundsätzliche Anerkennung ausländischer Entscheidungen durchbrechende Ausnahmevorschrift

handelt, ist eine ordre-public-Widrigkeit allerdings nicht schon dann gegeben, wenn ein solches

Gericht nach - selbst zwingendem - deutschem Recht den Fall anders entschieden hätte. Die

Anerkennung der ausländischen Entscheidung ist vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn sie zu

einem Ergebnis führt, das zu dem Grundgedanken der entsprechenden deutschem Regelung und

den darin enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass das

Ergebnis nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint. Soweit es - wie hier - um die

Anerkennung einer im Ausland erfolgten Adoption geht, müssen die Rechtsfolgen der

ausländischen Entscheidung daher in einer besonders schwerwiegenden Weise gegen Sinn und

Zweck einer Annahme an Kindes Statt nach deutschem Recht verstoßen. Maßgebliches

Kriterium nach deutschem Recht ist es, dass - wie sich aus § 1741 Abs. 1 BGB ergibt, die

Adoption dem Kindeswohl entspricht .

Der Anerkennung der ausländischen Adoptionsentscheidung des Federal First Instance Court

der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien vom 01.08.2010 steht zwar nicht entgegen, dass

es sich um eine sogenannte "schwache" Adoption handelt, die die Beziehungen zu den leiblichen

Eltern nicht völlig kappt und/oder zu deren Wiederaufhebung man keinen im behördlichen

Verfahren ergangenen Beschluss benötigt. Das deutsche Recht kennt zwar nur die Volladoption.

Aber auch eine "schwache" Adoption steht dem deutschen ordre-public und damit einer

Anerkennung nach dem Adoptionswirkungsgesetz nicht entgegen.

Gleiches gilt auch, soweit es sich nach äthiopischem Recht nicht um eine sogenannte Dekret

Adoption handelt, sondern um eine Vertragsadoption handelt. Denn nach äthiopischem Recht

(Art. 191 Abs. 4 des Äthiopischen Familiengesetzbuches (Revised Family Code-RFC)) muss eine

Vertragsadoption durch ein Gericht bestätigt werden und entfaltet erst nach der gerichtlichen

Bestätigung seine Wirkung (Art. 194 Abs. 1 RFC). Das Gericht hat dabei zu prüfen, ob triftige

Gründe für die Adoption vorliegen und ob die Adoption dem Wohl des Kindes dient (Art. 194

Abs. 2 und 3 RFC). Wird eine solche Vertragsadoption - wie hier - durch ein Gericht überprüft

oder nach Überprüfung bestätigt, so steht die gerichtliche "Bestätigung" einer

Adoptionsverfügung gleich und kann ebenso wie diese unter den Voraussetzungen des § 16 a

FGG anerkannt werden.

Nach allgemeiner Ansicht ist aber die Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung

insbesondere dann ausgeschlossen, wenn vor der Entscheidung keine oder nur eine

unzureichende Kindeswohlprüfung stattgefunden hat und eine solche vorgesehene Prüfung von

den Beteiligten umgangen wurde.  Denn der wesentliche Grundsatz des deutschen

Adoptionsrechts ist, dass eine Adoption dem Wohl des anzunehmenden Kindes entspricht. Dies

folgt aus § 1741 Abs. 1 BGB, wo dieser Grundsatz als erstes Tatbestandsmerkmal für eine

zulässige Annahme herausgestellt wird. Das Gesetz trägt damit dem aus Art. 1 und Art. 2 GG

folgenden Persönlichkeitsrecht des Kindes Rechnung. Allein das Kindeswohl ist Richtpunkt für

das Amt des Staates und Maßstab für in Kindschaftssachen zu treffenden Entscheidungen der.

Für die Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Adoptionsentscheidung ist daher zwingend

erforderlich, dass diese sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die konkrete Adoption dem

Kindeswohl entspricht, ob also ein Adoptionsbedürfnis vorliegt, die Elterneignung der

Annehmenden gegeben ist und eine Eltern-Kind-Beziehung bereits entstanden bzw. ihre

Entstehung zu erwarten ist.

Zu einer Kindeswohlprüfung zählt auch das Adoptionsbedürfnis, d. h. die Notwendigkeit zu

einer Änderung der abstammungsrechtlichen Beziehungen. Auch das Vorliegen eines

Adoptionsbedürfnisses, das nicht isoliert von der Frage des Kindeswohls zu sehen ist, vielmehr

eine Ausprägung dieses Maßstabs darstellt, gehört zum maßgeblichen ordre-public. Die Frage

nach dem Adoptionsbedürfnis ist Teil der Kindeswohlprüfung, da die im Adoptionsrecht

notwendige Prognoseentscheidung eine doppelte Funktion hat. Eine Zielfunktion kommt ihr

insoweit zu, als das Kind durch die Adoption ein beständiges und ausgeglichenes Zuhause

bekommen soll, eine Vergleichsfunktion ergibt sich insoweit, als sich die Lebensbedingungen des

Kindes im Vergleich zur Lage ohne Adoption so verändern müssen, dass eine merkliche bessere

Persönlichkeitsentwicklung zu erwarten ist. Die Notwendigkeit eines Adoptionsbedürfnisses

leuchtet allein schon dann ein, wenn man sich die Konfrontation des Kindes mit der Tatsache

der Adoption lebensnah vorstellt. Es gibt für das nicht bei den leiblichen Eltern aufwachsende

Kind regelmäßig das Bedürfnis der Kenntnis von den echten Abstammungsverhältnissen wie

auch nach dem Wissen um den Grund der Adoption.

Das Kind hat aber nicht nur das Recht auf Kenntnis seiner Abstammung, sondern auch auf

Erziehung und Pflege durch seine Eitern, dass im Grundgesetz verankert ist (vgl. dazu: BVerfGE

121, 69 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG den

Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihres Kindes garantiert, ihnen diese Aufgabe aber

zugleich auch zu einer zuvörderst ihnen obliegende Pflicht macht. Dabei können die Eltern

grundsätzlich frei von staatlichem Einfluss nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie

sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (vgl. BVerfGE 107, 104, 117). Maßgebliche

Richtschnur für ihr Handeln muss aber das Wohl des Kindes sein, denn das Elternrecht ist ein

Recht im Interesse des Kindes (vgl. BVerfGE 103, 89, 107). Es ist ihnen um den Kindeswillen

verbürgt. Die elterliche Pflicht zur Pflege und Erziehung ihres Kindes besteht nicht allein

gegenüber dem Staat, der über die Ausübung der Eltern Verantwortung zu wachen hat und

verpflichtet ist, zum Schutz des Kindes einzuschreiten, wenn Eltern dieser Verantwortung nicht

gerecht werden. Eltern sind auch - unmittelbar - ihrem Kind gegenüber zu dessen Pflege und

Erziehung verpflichtet. Das Kind hat eine eigene Würde und eigene Rechte. Als

Grundrechtsträger hat es Anspruch auf Schutz des Staates und die Gewährleistung seiner

grundrechtlich verbürgten Rechte. Eine Verfassung, die die Würde des Menschen in den

Mittelpunkt des Wertesystems stellt, kann bei der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen

grundsätzlich niemandem Rechte an der Person des anderen einräumen, die nicht zugleich

pflichtgebunden sind und die Menschenwürde des anderen respektieren. Das Elternrecht dem

Kind gegenüber findet seine Rechtfertigung darin, dass das Kind des Schutzes und der Hilfe

bedarf, damit es sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen

Gemeinschaft   entwickeln kann, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht.

Dieses Recht ist deshalb untrennbar mit der Pflicht der Eltern verbunden, dem Kind diesen

Schutz und diese Hilfe zu seinem Wohl angedeihen zu lassen. Dabei bezieht sich diese Pflicht

nicht lediglich auf das Kind, sie besteht auch gegenüber dem Kind. Denn das Kind ist nicht

Gegenstand elterlicher Rechtsausübung; es ist Rechtssubjekt und Grundrechtsträger, dem die

Eltern schulden, ihr Handeln an seinem Wohl auszurichten. Mit dieser den Eltern durch Art. 6

Abs. 2 Satz 1 GG auferlegten Pflicht gegenüber dem Kind, es zu pflegen und zu erziehen,

korrespondiert das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern aus Art. 6

Abs. 2 Satz 1 GG. Wird jemandem eine Pflicht auferlegt, die sich auf eine andere Person bezieht

und die zugleich mit dem Recht verbunden ist, auf diese Person einzuwirken, für sie Entscheidungen zu treffen, ihre Interessen zu vertreten und auf ihre

 Persönlichkeitsentwicklung maßgeblich Einfluss zu nehmen, so berührt dies den Kern

höchstpersönlicher Lebensentfaltung des anderen und schränkt dessen freie Willensentscheidung

ein. Den Eltern eine solch tiefgreifende Einflussnahme auf das Leben ihres Kindes einzuräumen,

rechtfertigt sich allein aus dem Umstand, dass das Kind noch nicht selbst für sich Verantwortung

tragen kann und zu Schaden käme, wenn es hierbei keine Hilfe erführe. Bedarf aber das Kind

solcher Unterstützung durch seine Eltern und ist deshalb die Elternverantwortung allein dem

Wohle des Kindes verpflichtet wie geschuldet, dann hat das Kind auch einen Anspruch darauf,

dass zuvörderst seine Eltern Sorge für es tragen, und ein Recht darauf, dass seine Eltern der mit

ihrem Elternrecht untrennbar verbundenen Pflicht auch nachkommen. Dieses Recht des Kindes

findet insofern in der elterlichen Verantwortung seinen Grund und wird damit von Art. 6 Abs. 2

Satz 1 GG geschützt. Es steht in engem Zusammenhang mit dem Grundrecht des Kindes auf

Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, denn es sichert dem

Kind den familiären Bezug, der für seine Persönlichkeitsentwicklung von Bedeutung ist. Die

persönliche Beziehungen zu seinen Eltern, ihre Pflege, Hilfe wie Zuwendung tragen wesentlich

dazu bei, dass sich das Kind zu einer Persönlichkeit entwickeln kann, die sich um ihrer selbst

geachtet weiß und sich selbst wie Andere zu achten lernt.

Dieses "Recht auf die eigen Eltern" bedeutet, dass es bei einer Adoptionsentscheidung immer der

Prüfung bedarf, ob die Adoption geboten ist, weil ausnahmsweise die Trennung des Kindes von

den leiblichen Eltern eine wesentlich bessere oder überhaupt eine Persönlichkeitsentwicklung mit

sehr großer Wahrscheinlichkeit erwarten lässt.

 Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Fall eine

Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung gemäß § 16 a Nr. 4 FGG nicht gegeben ist, da eine

Entscheidung mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Sowohl die

unzureichende Prüfung des Kindeswohls wie auch die fehlende Prüfung des

Adoptionsbedürfnisses rügt das Landgericht zu Recht als Verstoß gegen den ordre-public.

Im vorliegenden Fall verhält sich nämlich die Adoptionsentscheidung des erstinstanzlichen

Bundesgerichts (Federal First Instance Court) der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien

vom 01.08.2008 (Bl. 15, 16 GA) nicht in hinreichender Weise dazu, ob und inwieweit sich das

erkennende Gericht konkret mit dem Adoptionsbedürfnis des Kindes befasst hat. Es fehlen

insbesondere Feststellungen zu den anderweitigen Unterbringungsmöglichkeiten des Kindes in

Äthiopien, obwohl dieses Subsidiaritäts-Prinzip für Auslandsadoptionen auch in der

Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien gilt. Im Rahmen der unterlassenen Prüfung wäre zu

berücksichtigen gewesen, dass das Kind in diesem Fall in seiner Kultur, Religion und Tradition

entsprechenden Weise erzogen und betreut worden wäre. Denn das zum Zeitpunkt der Adoption

bereits 6 ½ Jahre alte Kind war in seinem geografischen und kulturellen Umfeld

 bereits in fortgeschrittenem Maße sozialisiert. Es ist in Äthiopien aufgewachsen, der

afrikanischen Kultur also in gewissem Maße verhaftet. Die ausländische Entscheidung lässt auch

nicht erkennen, dass sich das erkennende Gericht in ausreichendem Maße mit der Frage

auseinander gesetzt hat, inwieweit es dem Kindeswohl diente, es von seinen leiblichen Eltern und

seiner Schwester zu trennen. Die Adoptionsentscheidung ist ausschließlich an materiellen

Kriterien orientiert und insoweit nicht mit dem Wesen der Adoption vereinbar, weil sie das Recht

des Kindes auf den Schutz seiner biologischen und kulturellen Verwurzelung in der

Herkunftsfamilie verletzt.

Die gewonnenen Tatsachenerkenntnisse reichen nicht aus, um von einer nachhaltigen

Gefährdung des leiblichen Wohls des Kindes auszugehen. Es ist zwar festzustellen, dass die

leiblichen Eltern das Kind im Alter von 4 Jahren einem Verwandten anvertraut haben. Dies

geschah aber - den eigenen Angaben des Kindes zufolge - in der Vorstellung, dass der Verwandte

für das Kind sorgt, ihm eine Schulausbildung ermöglicht und ihn ausbildet. Es liegen keinerlei

Anhaltspunkte dafür vor, dass die leiblichen Eltern darum wussten, dass ihr Kind tatsächlich von

dem Verwandten ausgebeutet worden war, und in Kenntnis dieser Umstände nichts

unternommen haben.

Hinzu kommt, dass die leiblichen Eltern des Kindes vor der Adoption nicht angehört worden

sind und dementsprechend auch nicht in die Adoption eingewilligt haben. Auch dieser Grundsatz

der Einwilligung der leiblichen Eltern gehört sowohl in äthiopischem Recht (vgl. Art. 191 Abs. 1,

2 und 4 RFC; vgl. Bericht des Bundesamtes für Justiz vom 09.01.2009, Bl 62, 64 GA) als auch

nach deutschem Recht (vgl. § 1747 BGB) zu den anerkannten Regeln für eine Adoption und zu

den Grundsätzen des deutschen ordre-public.

Eine derartige Einwilligungserklärung ist vorliegend den Akten nicht zu entnehmen. In der

Entscheidung des erstinstanzlichen Bundesgerichts der Demokratischen Bundesrepublik

Äthiopien findet sich an der Steile an der die Einwilligung der leiblichen Eltern zu vermerken ist,

keine Eintragung (vgl. BL 15, 16 GA). Diese fehlende Einholung der Einwilligung der leiblichen

Eltern ist auch nicht näher begründet worden. Es ergibt sich aus den Unterlagen nicht, dass

seinerzeit nach den leiblichen Eltern überhaupt gesucht worden ist, obwohl das Kind selbst zum

Aufenthaltsort seiner Eltern - wie dem Sozialbericht vom 09.02.2008 (Bl. 44 bis 48 GA) zu

entnehmen ist - Anhaltspunkte gegeben hat. Dass die Angaben des Kindes unwahr waren, ist zu

keinem Zeitpunkt belastbar angenommen worden. Unter diesen Umständen kann nicht

festgestellt werden, dass die leiblichen Eltern ihr Kind in dem Sinne verlassen haben, dass sie sich

von ihm losgesagt haben. Eine Adoption hätte unter diesen Umständen ohne Einwilligung der

leiblichen Eltern in Äthiopien gar nicht stattfinden dürfen, da selbst nach den internen

Richtlinien des in der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien für die Durchführung von

internationalen Adoptionsverfahren zuständigen Ministerium für Frauenangelegenheiten

(Ministery of Women's Affairs, MOWA, Bl. 99 bis 103 GA) die Regelungen des 6.3.1 und 6.3.3

der Richtlinien nicht einschlägig waren.

Auch der Umstand, dass nunmehr in Äthiopien nach den leiblichen Eltern des Kindes erfolglos

gesucht worden ist (vgl. das Schreiben der MOWA vom 29.10.2010 und die beigefügten

Polizeiberichte, Bl. 276 bis 281 GA) ändert nichts an dem Ergebnis, dass die Entscheidung des

erstinstanzlichen Bundesgerichtes der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien vom

01.08.2008 (Bl. 15, 16 GA) an den aufgezeigten Mängeln leidet. Abgesehen davon, dass es sich

um neue Tatsachen handelt, die in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr vorgebracht werden

können und insofern Aufklärungsmängel im Sinne des § 12 FGG weder dem Amtsgericht noch

dem Landgericht vorgeworfen werden können, würde auch eine Berücksichtigung der Tatsachen

nichts daran ändern, dass die Adoptionsentscheidung des erstinstanzlichen Bundesgerichts der

Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien  vom 01.08.2008 auf der unzureichenden Prüfung

des Adoptionsbedürfnisses sowie auf die fehlende Einwilligung der leiblichen Eltern des Kindes

beruht.

Für eine Beurteilung kommt es nicht auf den Zeitpunkt der ausländischen Entscheidung an,

sondern auf den Zeitpunkt, in dem über die Anerkennung entschieden wird. Hieraus folgt, dass

zwischenzeitlich eingetretene oder bekannt gewordene neue Tatsachen, die das Kindeswohl

betreffen, bei der Entscheidung über die Anerkennungsfähigkeit grundsätzlich zugrunde zu legen

sind.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass sämtliche für eine Adoption entscheidungserhebliche Umstände

zu berücksichtigen sind, die seit dem Erlass der ausländischen Entscheidung bis zu deren

Anerkennung aufgetreten sind. Denn dies würde zu dem Ergebnis führen, dass von dem Gericht,

dass ausschließlich über die Anerkennung der ausländischen Adoptionsentscheidung zu entscheiden hat, eine neue und eigene Adoptionsentscheidung zu treffen wäre. Dies wäre mit dem gesetzlichen Rahmen für die Prüfung der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen

Entscheidung, wie er sich aus § 16 a FGG ergibt, nicht vereinbar, insbesondere gibt das

Anerkennungsverfahren keine Veranlassung, dass das zur Entscheidung über die Anerkennung

berufene Gericht eine am ordre-public orientierte eigene Adoptionsprüfung an die Stelle der

ordre-public-widrigen ausländischen Entscheidung setzt. Aus diesem Grunde hat es das

Landgericht zu Recht auch als unerheblich angesehen, dass das Kind nunmehr seit etwa

zwei Jahren bei den Beteiligten zu 1. und 2. lebt und zwischenzeitlich Bindungen

eingetreten sind, deren nachträgliche Lösung nicht mehr dem Kindeswohl entsprechen

würden.

Das Landgericht hat deshalb zu Recht die Anerkennung der Adoptionsentscheidung abgelehnt,

da lediglich eine fehlerhafte und völlig unzulängliche Kindeswohlprüfung stattgefunden hat und

die leiblichen Eltern nicht an dem Adoptionsverfahren vor dem erstinstanzlichen Bundesgericht

der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien beteiligt worden sind und der Adoption nicht

zugestimmt haben.

Eine Entscheidung darüber, ob die vorgenannte äthiopische Adoptionsentscheidung auch noch

an weiteren Mängeln leidet, nämlich zum einen daran, dass sie ergangen ist, ohne das Kind, das

zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits 6 1/2 Jahre alt war, vorher anzuhören, und zum

anderen daran, dass die Adoption ohne vorherige Begegnung zwischen dem Kind und den

Beteiligten zu 1. und 2. bewilligt worden ist, kann unter den gegebenen Umständen dahinstehen.

Der weitere Antrag der Beteiligten zu 1. und 2., nach erfolgter Anerkennung der Adoption diese

in eine Adoption mit Wirkung deutschen Rechts umzuwandeln (§ 3 AdWirkG a.F.), ist ebenfalls

unbegründet, weil aus den vorgenannten Gründen bereits die Voraussetzungen einer

Anerkennung fehlen,

Zu einer Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht nach § 13 a FGG

kein Anlass.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000,00 Euro

festgesetzt (§§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO)

Die Entscheidung ist unanfechtbar

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