Vierjährige Nicoleta darf zunächst in Deutschland bleiben
Vierjährige Nicoleta darf zunächst in Deutschland bleiben
31.03.11 | 19:30 Uhr
Die beiden 'Mütter' von Nicoleta T. begegnen sich auf dem Gang des Landgerichtes Schweinfurt. Korinna B. hat das inzwischen vierjährige Kind seit 2006 bei sich in der bayerischen Rhön. Die leibliche Mutter Gabriela G. aus Rumänien hielt ihr Kind zuletzt im Januar 2007 im Arm. Sie hatte es nach Deutschland gegeben, damit es hier medizinisch behandelt werden kann.
Vierjährige Nicoleta darf zunächst in Deutschland bleiben
Schweinfurt (dapd-bay). Beide Frauen sind als Zeugen im Berufungsverfahren gegen Estera S. wegen Kinderhandels geladen.
Das Schicksal des kleinen Mädchens ist nicht Thema im Sitzungssaal 138, wohl aber davor. Die rumänische Mutter macht unmissverständlich deutlich, dass sie ihr Kind wieder mitnehmen will in die Heimat. Die Mutter von Korinna B. redet beschwörend auf sie ein, sich doch einmal den Bauernhof anzusehen und wie gut sich die Kleine inzwischen eingelebt habe. Auch die Pflegemutter spricht von Kompromiss, das Kind solle hier bleiben, die Eltern könnten sie öfter sehen und mehr Kontakt haben, bietet sie an. Man wolle die gesamte Familie integrieren.
Als all das nichts fruchtet, wird sie massiver und bittet eine Bekannte, die ebenfalls als Zeugin geladen ist, zu übersetzen: 'Frag Sie, ob sie weiß, dass sie das Kind in den sicheren Tod schicken.' Und weiter kündigt sie an, sie werde das Kind 'nur über meine Leiche' herausgeben und nach Rumänien lassen. Dort kenne die Kleine niemanden und beherrsche auch nicht die Sprache.
Warum die inzwischen Vierjährige überhaupt in Deutschland ist, das muss die zweite Kleine Strafkammer des Landgerichtes klären. Estera S. und ihre Tochter Anneliese sind dort wegen Kinderhandels angeklagt. S. soll Korinna B. nach deren Aussage Hoffnung auf eine Adoption gemacht haben. Über ihre Anwältin widerspricht die Angeklagte dem jedoch. Sie habe nur auf Veranlassung der späteren Pflegemutter Korinna B. vermittelt, dass Nicoleta zur Pflege nach Deutschland kommt. 'Sie hat weder einen dauerhaften Aufenthalt des Kindes, noch eine Adoption versprochen', verlas die Verteidigerin. Dies gelte auch für die ebenfalls angeklagte Tochter von Estera S.
Korinna B. sagt dagegen aus, dass S. und deren Tochter ihr sehr wohl eine Adoption in Aussicht gestellt hätten. Über Geld sei anfangs nicht gesprochen worden. 'Meine Vorstellung war, dass es funktionieren kann', gibt B. Auskunft. Gegen sie läuft nach eigenen Angaben ein Verfahren wegen Kindesentführung. Dem Mädchen habe sie inzwischen gesagt, dass es noch eine andere Mama habe. Es nehme jedoch sie und ihren Mann als Eltern wahr. 'Wir haben das Kind niemandem vorenthalten', fügt sie hinzu.
Die leibliche Mutter Gabriela G. stützt vor Gericht die Aussage der Angeklagten. Bei der Frage, ob über Adoption gesprochen worden sei, schüttelt sie heftig den Kopf. 'Sie hat gesagt, dass sie ihr zu besserer ärztlicher Hilfe verhelfen will', erinnert sie sich. Ihre Tochter habe Probleme mit der Hüfte gehabt. Darum habe sie Nicoleta T. zu einem sechsmonatigen Aufenthalt nach Deutschland gelassen. Als sie im Januar 2007 im Haus von Korinna B. zu Besuch war, habe sie das Kind eigentlich wieder mitnehmen wollen. 'Sie wollte sie mir aber nicht geben', beschreibt sie die Situation. Korinna B. habe mit Polizei gedroht, falls sie das Grundstück nicht verlasse. Darum sei sie unverrichteter Dinge auch wieder nach Hause gefahren. 'Sie verweigert auch jetzt, mir das Kind zu geben', klagt sie und bricht in Tränen aus.
Am frühen Abend gibt Richter Konrad den Eltern bekannt, dass in einer einstweiligen Verfügung des Amtsgericht Bad Kissingen am selben Tag festgelegt habe, dass Nicoleta T. erst einmal bei ihrer jetzigen Familie in Deutschland bleiben wird.
Ein Urteil in dem Berufungsverfahren über den möglichen Kinderhandel, der am Donnerstag eigentlich in Schweinfurt verhandelt wird, soll am 5. April gesprochen werden.