Herausgabe des Mädchens verweigert
SCHWEINFURT
Herausgabe des Mädchens verweigert
Eilerlass im Prozess wegen Kinderhandels am Landgericht Schweinfurt
Sie kamen als Zeugen und um ihr Kind zu holen: Die rumänischen Eltern eines vierjährigen Mädchens (auf der Bank mit ihrer Rechtsanwältin in der Mitte), mit Journalisten und Dolmetscherin.Foto: Susanne Wahler-Göbel
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Dramatische Entwicklung am Rande eines Prozesstages am Landgericht Schweinfurt: Per Eilerlass hat das Familiengericht Bad Kissingen am Donnerstag die Herausgabe eines rumänischen Pflegekindes an seine leiblichen Eltern verweigert. Zur Begründung teilte der Kissinger Amtsgerichtsdirektor Matthias Göbhardt auf Anfrage dieser Zeitung mit: „Das Kind hat seit über vier Jahren keinen persönlichen Kontakt zu seinen leiblichen Eltern. Wir sehen deshalb bei einer Rückgabe an die Eltern das psychische Wohl des Kindes massiv gefährdet.“
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Der eigentliche Fall geriet am Landgericht so beinahe in den Hintergrund. Während des Prozesses wegen Kinderhandels kam es in der Pause zu dramatischen Szenen. Das rumänische Elternpaar, das seine Tochter im Dezember 2006 an ein Ehepaar aus dem Landkreis Bad Kissingen übergeben hatte, forderte das Kind nach über vier Jahren ohne persönlichen Kontakt zu dem Mädchen von den deutschen Pflegeeltern zurück.
Die leiblichen Eltern wurden als Zeugen gehört. Sie erschienen mit einer rumänischen Anwältin und trafen nach vier Jahren wieder persönlich auf die Pflegemutter des Kindes, die ebenfalls als Zeugin geladen war.
Der Fall begann Ende 2006 und beschäftigt seitdem die Justiz. Angeklagt sind zwei Deutsch-Rumäninnen. Die Angeklagte S. wohnte damals in Hammelburg im Landkreis Bad Kissingen. Ihr und ihrer Tochter Y. wird zur Last gelegt, ein damals wenige Wochen altes rumänisches Baby rechtswidrig zur Adoption an eine Pflegefamilie aus dem Landkreis Bad Kissingen vermittelt zu haben.
Beide Angeklagten bestritten, wie schon in erster Instanz, die Vorwürfe. Die Angeklagte S. leitet in Rumänien ein Kinderheim. Davon hatte die Pflegemutter über einen Zeitungsartikel erfahren und sich daraufhin an S. gewandt. „Mein Wunsch war es, ein Mädchen zu adoptieren. S. sagte mir, dass das möglich sei“, so die Pflegemutter als Zeugin.
Die Verteidiger, ein Mann und eine Frau mit Kanzleien in Würzburg, gingen die Zeugin hart an. So sehr, dass der Richter eingriff: „Wer ist hier eigentlich angeklagt, Ihre Mandanten oder die Pflegemutter?“ Auch die zahlreichen deutschen Pressevertreter ließen die Verteidiger ihre Missachtung spüren. „Ach, die Pressefritzen da“, wurde der Würzburger Rechtsanwalt laut.
Problematisch gestaltete sich zunächst die Vernehmung der leiblichen Mutter. Eine vom Gericht vereidigte Dolmetscherin erwies sich als nicht kompetent genug. Die Verteidigerin beantragte, die Vernehmung abzubrechen, woraufhin die rumänische Dolmetscherin den Gerichtssaal empört verließ.
„Wir sehen das psychische Wohl des Kindes massiv gefährdet.“
Matthias Göbhardt, Amtsgerichtsdirektor Kissingen
Nachdem das Gericht innerhalb einer halben Stunde einen anderen Dolmetscher organisieren konnte, wurde die Vernehmung der leiblichen Mutter fortgesetzt. Sie bestritt, ihre Tochter je zur Adoption freigegeben zu haben. „Wir haben damals nur eine sechsmonatige Pflegschaft vereinbart, während der das Kind in Deutschland medizinisch behandelt werden sollte“, so die 34-jährige Mutter.
Das Gericht wird an weiteren Verhandlungstagen zu klären haben, unter welchen Umständen das Mädchen tatsächlich nach Deutschland kam. Die Aussagen der Zeugen sind widersprüchlich. Fakt bleibt, dass Auslandsadoptionen aus Rumänien aufgrund der sogenannten Haager Konvention verboten sind.
Jenseits der Strafgerichtsbarkeit spielt sich ein menschliches Drama ab. Das heute vierjährige Mädchen, das kein Rumänisch spricht, ist in seiner Pflegefamilie nach Ansicht des Jugendamtes Bad Kissingen vorbildlich integriert. Bis heute hat das Kind aber keinen rechtlichen Status. „Alle unsere Bemühungen bei Justiz und Politik waren bislang erfolglos“, so die Pflegemutter vor dem Richter.
„Über das Schicksal des Kindes haben wir nicht zu entscheiden“, machte der Richter deutlich. Dennoch äußerte er Verständnis für die psychische Ausnahmesituation, in der sich die Pflegefamilie befindet. „Menschlich kann ich sehr gut nachvollziehen, dass Sie das Kind behalten möchten.“
Das sieht die Verteidigerin ganz anders. Sie könne überhaupt nicht verstehen, weshalb die Pflegefamilie die Rückgabe des Kindes verweigere. „Wieso soll es dem Kind in Rumänien schlechter gehen als bei Ihnen“, fragte sie die Pflegemutter. Die reagierte fassungslos und bat den Richter, auf diese Frage nicht antworten zu müssen.