Union will Adoption neu regeln
Union will Adoption neu regeln
SPD und Opposition sehen in der Gesetzesnovelle ein Ablenkungsmanöver vom Thema der ?Ehe für alle?.
Von Serena Bilanceri
13.03.201720:41
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Eine verwitwete Frau wohnt mit ihren beiden Kindern und einem neuen Partner seit Jahren zusammen. Er will ihre Kinder adoptieren, doch heiraten möchte das Paar nicht. Müsste kein Problem sein – bleibt es aber, wie der Bundesgerichtshof gerade erst in der vorigen Woche wieder befand: Nur Eheleute dürfen auch rechtlich gleichberechtigte Eltern sein. Der Richterspruch hat nun aber Bewegung in ein altes Reformanliegen gebracht.
Längst halten viele Juristen das Gesetz von 1976 für überholt. „Eine Reform des deutschen Adoptionsrechts ist längst überfällig“, sagt Nina Dethloff, Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht der Universität Bonn. „Das geltende Recht wird der heutigen gesellschaftlichen Realität, in der sich viele neue Familienformen entwickelt haben, nicht mehr gerecht.“
In Deutschland ist in den vergangenen Jahren die Zahl der unverheirateten Paare mit minderjährigen Kindern gestiegen, die von verheirateten Eltern ist gesunken. Auch ist die Zahl der Adoptionen seit Mitte der 90er von rund 8000 auf rund 3800 im Jahr gesunken. „Die Adoption sollte auch unverheirateten Paaren eröffnet werden“, findet Dethloff. Das gelte auch für Stiefkinder. „Das Kind wächst hier faktisch mit beiden Partnern auf, rechtlich abgesichert ist derzeit aber immer nur seine Beziehung zu einem Partner.“
Eine Reform des deutschen Adoptionsrechts ist längst überfällig.
Nina Dethloff, Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht der Universität Bonn
Die Stabilität einer Beziehung lasse sich in solchen Fällen auch unabhängig vom Bestehen einer Ehe sicherstellen, etwa indem eine gewisse Dauer der Partnerschaft oder häuslichen Gemeinschaft verlangt wird, so die Rechtsexpertin. Gleichzeitig sollten die Anforderungen an Stiefkindadoptionen verschärft werden, damit ein eventuelles Verhältnis zum leiblichen, noch lebenden Elternteil nicht beschädigt werde.
Doch der eheliche Status junger Eltern ist nicht das Einzige, was sich geändert hat: „Veränderte Lebens- und Familienmodelle, die höhere Lebenserwartung und die Tendenz zur späteren Familiengründung müssen sich auch im Adoptionsrecht wiederfinden“, betonte jüngst der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Marcus Weinberg, – und plädierte für eine Anpassung der Altersgrenze. Das Mindestalter für Adoptierende ist 25 Jahre, eine Höchstgrenze gibt es nicht. Das Alter des Kindes muss jedoch in einem natürlichen Verhältnis zu dem der Eltern stehen.
Unter Verweis auf den Koalitionsvertrag, in dem Union und SPD eine Modernisierung des Adoptionsrechts vereinbart haben, betonte CDU-Politiker Weinberg, seine Partei wolle das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode ändern. Dafür wäre allerdings Eiltempo nötig: Was bis zum Sommer nicht verabschiedet ist, kann erst der neu gewählte Bundestag anfassen.
Der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner hält „ein derartiges Ansinnen innerhalb dieser Legislatur für eher unwahrscheinlich“, immerhin gebe es noch keinerlei Vorarbeit dazu. Reformbedarf bestreitet er nicht, zentral seien die Berücksichtigung der höheren Lebenserwartung und die Frage der Stiefkindadoptionen. „Sollte die Union hierzu konkrete Vorschläge haben, sind wir für jede Debatte offen.“
Das geltende Recht wird der heutigen gesellschaftlichen Realität, in der sich viele neue Familienformen entwickelt haben, nicht mehr gerecht.
Nina Dethloff, Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht der Universität Bonn
Dem schließt sich die Grünen-Familienpolitikerin Franziska Brantner an. Auch sie nennt die Idee, die Reform noch in dieser Wahlperiode umzusetzen, „völlig illusorisch“. Die Diskussion darüber begrüßt sie aber: „Die derzeitige Empfehlung der Landesjugendämter, dass der Altersabstand der Eltern zum Kind in der Regel nicht größer als 40 Jahre sein sollte, wirkt sich oft negativ auf die Adoptionsentscheidung aus und ist mit Blick auf die veränderten Lebens- und Familienmodelle nicht mehr zeitgemäß.“
SPD, Grüne und Linke sehen weiteren Handlungsbedarf – aber da bremst die Union: „Sollten die aktuellen Vorschläge nur dazu dienen, von der Notwendigkeit der Eheschließung für alle abzulenken, ist der Versuch untauglich“, betont Sozialdemokrat Brunner. Die Öffnung der Ehe mit allen Rechten und Pflichten für gleichgeschlechtliche Paare fordern SPD wie Opposition seit Jahren, scheitern aber an CDU/CSU.
So dürfen eingetragene Lebensgemeinschaften zwar Stiefkinder adoptieren, jedoch nicht gemeinsam fremde Kinder. Da das durch die „sukzessive Adoption“ umgegangen werden kann – wenn also ein Partner nach dem anderen ein nichtleibliches Kind adoptiert – und weil Experten keine Bedenken gegenüber der Adoption durch homosexuelle Paare haben, ist CDU-Mann Weinberg selbst offen für diese Angleichung. In der Union gebe es aber noch keine entsprechenden Beschlüsse, sagt er.
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