Haitis Erdbebenkinder sind begehrt
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Von Olivia Kühni. Aktualisiert um 13:56 Uhr
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Adoptionsagenturen in den USA und Europa melden eine Riesenwelle an Anfragen für Kinder aus Haiti. Die Hilfswerke warnen vor falsch verstandener Solidarität – und vor Menschenhändlern.
Tausende Kinder auf den Strassen: Ein Mädchen am Samstag in einem Flüchtlingslager in Port-au-Prince.
Bild: Keystone
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Unter den Flugzeugen, die dieser Tage aus dem Ausland in Port-au-Prince gelandet sind, ist auch eine leere Chartermaschine aus den Niederlanden. Sie holt 110 Kinder ab, die zu neuen Eltern in der Region Amsterdam geflogen werden. Auch die USA könnten bald ein Flugzeug auf die Insel schicken: In der Nacht auf heute gab die Ministerin für Innere Sicherheit bekannt, dass die Regierung ab sofort die Einreisevorschriften für zur Adoption freigegebene Kinder aus Haiti lockert. Und Frankreichs Staatssekretär für Entwicklung kündigte ebenfalls am Montag an, man werde all jene Kinder sofort ausfliegen, die bereits von französischen Eltern adoptiert worden sind.
Die Nachfrage nach Adoptionen von haitianischen Kindern boomt. Es habe in drei Tagen 150 Anfragen von potenziellen Adoptiveltern erhalten, meldet der amerikanische Verband Joint Council on Internatonal Children's Services – normalerweise sind es zehn in einem Monat. Den Plan der katholischen Kirche von Miami, mit einem Lufttransport Hunderte haitianische Kinder nach Florida auszufliegen und dort zu betreuen, hat er verhindert.
«Wir brauchen schnell Schutzmechanismen»
In Europa und den USA warnen nun Kinderhilfswerke vor falsch verstandener Hilfsbereitschaft. Laut Joint Council on Internatonal Children's Services könnten Massenadoptionen oder Lufttransporte von Kindern ganze Familien zerstören und die Tore öffnen für «Betrug, Missbrauch und Menschenhandel». Auch Terre des hommes warnte am Montag, Kinderhändler würden erfahrungsgemäss Notlagen wie jene in Haiti ausnutzen. «Wir brauchen deshalb schnell Schutzmechanismen und konkrete Angebote, die verlassene Kinder aufnehmen und sie vor Verbrechen wie Kinderhandel und illegaler Adoption schützen», sagte die Geschäftsführerin des deutschen Ablegers gegenüber der Nachrichtenagentur DPA.
Die holländischen Behörden sagten am Montag gegenüber Medien, man sammle «nicht einfach Kinder auf den Strassen ein». Sämtliche Kinder befänden sich bereits seit Längerem in Adoptionsverfahren. Dennoch berichtet unter anderem die britische Zeitung «Guardian», der Flug sei von haitianischen Behörden nicht autorisiert worden. Es bestehe die grosse Gefahr, dass der offizielle Prozess einfach umgangen werde, schreibt die BBC: «Viele Waisenhäuser gehören zu den Gebäuden, die zerstört wurden.» Auf den Strassen wimmle es von obdachlosen, verwirrten und einsamen Kindern.
«Nur weisse Ehepaare mit kleinen haitianischen Kindern»
Haiti ist seit Jahren ein beliebtes Adoptionsland für Paare aus reichen Ländern. Das Erdbeben potenziert auch hier eine Gefahr, vor der Hilfswerke schon länger warnen. So sagte die deutsche Fernsehmoderatorin und Unicef-Botschafterin Sabine Christiansen am Sonntag in einer ARD-Extrasendung zu Haiti, potenzielle Eltern würden oft auf der Insel adoptieren: «Sie haben eine Adoption für 10 Dollar bekommen. Auf dem Flughafen hat man nur weisse Ehepaare mit kleinen haitianischen Kindern gesehen, weil sie nichts kosteten.»
Auch dem Bundesamt für Migration sind offenbar Missstände bei Adoptionen aus Haiti seit längerer Zeit bekannt. Im April 1997 erliess es eine Weisung, dass keine Einreisebewilligungen zur Adoption für haitianische Kinder mehr vergeben werden dürfen. Ein Jahr später hob es die pauschale Weisung auf und verabschiedete einen Entscheid, der legale Adoptionen unterstützen soll: «Einreisebewilligungen von Kindern aus Haiti zur Adoption in der Schweiz dürfen erteilt werden, wenn das Adoptionsdossier vorgängig vom Vertrauensanwalt unseres Generalkonsulats in Haiti beurteilt wurde.» Man erhoffe sich, so «den Unregelmässigkeiten im Zusammenhang mit von den haitianischen Behörden ausgestellten Dokumenten wirksam begegnen zu können». (bazonline.ch/Newsnetz)
Erstellt: 19.01.2010, 13:56 Uhr