Adoption auf Haiti: Grego hat nicht geweint
1 January 2011
Adoption auf Haiti: Grego hat nicht geweint
Als 2010 beim Erdbeben auf Haiti mehr als 200.000 Menschen starben, wurden tausende Heimkinder wie Grego obdachlos. Eine Adoption auf Haiti.
Als das Flugzeug startet, fangen die Kinder an zu schreien. Es ist der 27. Januar 2010. Ein Mittwochabend. 15 Tage zuvor hatte die Erde in Haiti gebebt. Und nun vibrieren wieder die Wände, die Maschine dröhnt, und eine unsichtbare Kraft drückt die kleinen Körper mit voller Wucht nach hinten in ihre Sitze. Es riecht nach Kot und Urin. Die meisten Kinder haben Durchfall. Und sie haben Angst.
Grego gibt keinen Laut von sich. "Grego pas crié", nicht geweint, wird er später erzählen. Er hat den Kopf gesenkt, starrt grimmig vor sich hin, eine tiefe Falte zwischen den Augenbrauen. Auf seinem Schoß ein Flugzeug aus Stoff mit einem lachenden Gesicht. Alle größeren Kinder haben so eines beim Einsteigen bekommen. Der weiße Mann neben ihm hält seine Hand. Manchmal rüttelt er ihn und fragt: "Alles klar?" Grego nickt dann. Und der Mann sagt etwas in einer fremden Sprache.
Grego ist vier Jahre alt. Er weiß nicht, wer diese Weißen sind. Aber er weiß, dass seine neuen Eltern nicht unter ihnen sind. Einige der Kinder glauben das. Sie sagen Mama blanche und Papa blanc zu den Ärztinnen und anderen Betreuern, die sie aus dem Heim mitgenommen haben.
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Grego kennt seine neuen Eltern von einem Foto, das sie ihm geschickt haben, sein einziger Besitz. Es ist eine Fotomontage seiner zukünftigen Familie, aufgeklebt auf einer orangefarbenen Karte, mit bunten Abziehbildchen am Rand. Das Foto zeigt ein lächelndes Paar, einen Jungen, der auch dunkelhäutig ist, und Grego. Jemand hat ihn da hineingebastelt. Für ihn soll es so aussehen, als gehöre er schon dazu.
"Ihr macht jetzt eine weite Reise zu Mama und Papa", hatten die Fremden gesagt, als sie die Kinder zwei Tage zuvor mit Bussen abholten. 63 Jungen und Mädchen, das jüngste vier Monate alt, das älteste sechs Jahre, jedes mit einem Plastikarmband, auf dem Name und Geburtsdatum vermerkt waren. Aufgesammelt in den Häusern des Kinderheims "Don d'Amour" und "Maison des Anges" in Haitis Hauptstadt Portau- Prince. Die Stadt war zerstört, ganze Straßenzüge verwüstet. Mittendrin: die drei Häuser des "Don d'Amour", die nicht zusammengefallen waren. Bis auf Schürfwunden waren die Kinder unverletzt geblieben. Grego hatte sich am Kopf gestoßen, als er aus dem wackelnden Haus lief.
Niemand ging danach mehr in die rissigen Gebäude hinein. Die Kinder schliefen auf Matratzen im Hof. Hinter den Hofmauern lagen Trümmer und Leichen. Es gab keinen Strom, kein sauberes Wasser, keine Toiletten. Einige Kinder hatten Fieber, viele litten an Austrocknung und bekamen Infusionen. Selbst die größeren unter ihnen waren so schwach, dass sie von den deutschen Helfern getragen werden mussten.
Das "Don d'Amour", was übersetzt "Heim der Liebe" heißt, ist kein Waisenhaus, sondern eine Einrichtung, die Kinder von armen Eltern aufnimmt, wenn diese sie zur Adoption ins Ausland freigeben. Oft sind es die Kinder alleinerziehender Mütter. Nüchtern betrachtet, ist das Heim ein Umschlagplatz für die Träume von Eltern. Die einen erhoffen sich ein besseres Leben für ihre Kinder. Die anderen wollen sich ihren Traum von einer Familie erfüllen. Manche sagen, Auslandsadoptionen sind ein Markt, von dem viele Erwachsene profitieren, nur die Kinder fragt niemand. Die andere Wahrheit ist: In Haiti schicken viele Eltern vom Land ihre Kinder zu Verwandten in die Stadt, wo sie als Haussklaven arbeiten müssen. Vor dem Erdbeben waren es laut Unicef rund 300 000 Kinder zwischen sechs und 14 Jahren.
Es ist eine spektakuläre Rettungsaktion, organisiert von "Help a child" und "Eltern für Kinder", zwei deutschen Vereinen, die seit Jahren Adoptionen aus Haiti vermitteln. Innerhalb von zwei Wochen nach dem Erdbeben gelang es ihnen, von den deutschen und haitianischen Behörden die Genehmigung für die Evakuierung der Kinder zu bekommen, deren Adoptionsverfahren bereits liefen. Bei einigen wurde das mindestens ein Jahr dauernde Verfahren stark verkürzt, wichtige Unterlagen mussten hier noch nachträglich besorgt werden. Einige internationale Hilfsorganisationen kritisierten diese beschleunigten Adoptionen, denn viele der leiblichen Eltern waren nach dem Erdbeben verschwunden und konnten nicht mehr informiert werden. Außerdem warnten sie vor gut gemeinten, aber rechtswidrigen Adoptionen von verwaisten Kindern ohne Papiere - wie viele Kinder auf illegale Weise vermittelt wurden, darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen, weil die Grenzen zwischen beschleunigten und illegalen Adoptionen fließend sind.
Nicht nur Deutschland, auch zahlreiche andere Länder evakuierten Kinder, bei denen die Adoptionsprozesse noch liefen. 1200 kamen in die USA, 489 nach Frankreich, 107 in die Niederlande. Bei neun der in die Niederlande vermittelten Kinder standen noch keine Adoptiveltern fest - unzulässig, weil nach haitianischem Recht die leiblichen Eltern stets einwilligen müssen, dass ihr Kind zu einem ganz bestimmten Adoptivelternpaar kommt. Erst danach beginnt in Haiti der behördliche Adoptionsvorgang.
Daheim: Grego schaut sich Fotos aus der Zeit an, als sein Adoptivbruder Pytagore (rechts) aus Haiti nach Solingen kam.
Während die Maschine aus der Karibik durch den Nachthimmel fliegt, fahren Christine und Martin Krause zum Frankfurter Flughafen. Zum ersten Mal in ihrem Leben werden sie dort Grego begegnen. Sie hatten sich das anders vorgestellt. Der Junge war seit zwei Jahren im Heim. Seine Dokumente - darunter die zweifache Einwilligung in die Adoption durch die leiblichen Eltern, Pass und Visum - waren bereits fertig. Im April 2010 wollten sie nach Haiti fliegen und ihn dort abholen, so, wie sie es vor fünf Jahren auch bei ihrem ersten Adoptivsohn Pytagore gemacht hatten. Ein paar Wochen im Land sein, ein Abschiedsfest im Heim feiern, sich langsam aneinander gewöhnen. Wahrscheinlich wären sie viel lockerer gewesen als beim ersten Kind. Als sie damals den unterernährten Jungen mitnahmen, der drei Tage kein Wort sprach und nachts einnässte, hatten sie ständig Angst, etwas falsch zu machen. "Ist es überhaupt richtig, ein Kind aus Haiti zu adoptieren?", fragten sie einen Haitianer, mit dem sie sich angefreundet hatten. "Ja", sagte er, "denn ihr rettet ein Leben." Damals half diese Antwort. Heute sagt Martin Krause, 46: "Die Adoption ist zunächst eine ganz egoistische Sache gewesen. Wir wollten ein Kind, weil wir keine eigenen bekommen können."
Das zweite Kind war ein Geschwisterwunsch. "Könnt ihr nicht noch einen holen - so einen wie mich?", fragte Pytagore, als er fünf war. Das hieß, noch einmal den psychologischen Eignungstest machen, viele Papiere ausfüllen und rund 16 500 Euro aufbringen - so viel kostet eine Adoption aus Haiti beim Verein "Eltern für Kinder". Das Ehepaar Krause, Doppelverdiener, beide sind Architekten, konnte sich das ein zweites Mal leisten.
Um zehn Uhr landet das Flugzeug. Sechs Kinder müssen sofort in ein Krankenhaus. Die anderen werden in eine Halle auf dem Flughafengelände gebracht. Ein Vorhang trennt die Halle in zwei Hälften. Auf der einen Seite warten die Kinder mit ihren Betreuern, auf der anderen rund 60 Ehepaare. Säuglingsgeschrei dringt durch den Vorhang. Eine Stimmung wie im Kreißsaal. Eine Frau verteilt Gummihandschuhe und Desinfektionsmittel, wegen der Krätzegefahr. Damit sollen sie ihr Kind begrüßen? Christine Krause, 48, steckt die Handschuhe gleich wieder weg.
Zuerst werden die Paare alle nacheinander aufgerufen, eine Stunde vergeht, die Krauses warten immer noch, dann geht die Faltwand endlich hoch. Pytagore stürzt als Erster auf Grego zu. Der Achtjährige sagt sofort Bruder zu dem Kleinen und nimmt ihn an die Hand. Andere Adoptiveltern stehen etwas verunsichert herum. Ihre Kinder wollen nicht mit ihnen gehen. Sie klammern sich an die Menschen, die sie seit drei Tagen durch die Gegend getragen haben. Grego hält sich an dem Rucksack fest, den Christine Krause ihm mitgebracht hat. Blau-gelb gestreift mit einem "Winnie Puh"-Bild. Darin: ein Buch, ein Spielzeugauto, ein Stofftier, eine Tüte Gummibärchen, die er gleich aufisst. Die nächsten Wochen wird Grego nirgendwo ohne diesen Rucksack hingehen, nachts steht er neben dem Hochbett. Oben schläft sein Bruder Pytagore, unten Grego. In den Lattenrost über seinem Kopf klemmt er das Foto, das er aus Haiti mitgebracht hat. Er schläft bis zum nächsten Morgen durch.
Sie hatten sich den Anfang schwieriger vorgestellt. Pytagore war in den ersten Wochen nur auf dem Arm eingeschlafen, die Eltern wechselten sich dabei ab, nachts wachte er ständig auf und weinte. Würde Grego es überhaupt im Haus aushalten? Womöglich konnte das Erdbebenkind nur noch im Zelt schlafen. Und draußen liegt seit Wochen Schnee. Doch Grego ist mit sicherem Überlebensinstinkt gleich in das Kinderzimmer hochgegangen.
In den nächsten Tagen erkundet er das neue Zuhause in Solingen. Schön ist es, hell, in bunten Farben gestrichen. Wohnzimmer und Küche im Erdgeschoss trennen keine Wände, im Wintergarten steht ein Kicker. Es gibt zwei Katzen, Lilli und Schröder. Eine Oma und einen Opa, die direkt nebenan im Schieferhaus wohnen. Einen Bruder mit Rastalocken, mit dem Grego auf Kreolisch sprechen kann. Und Mama und Papa. Er nennt sie sofort so. Frau Krause spricht Französisch, was vieles leichter macht. Sie hat eine weiche Stimme, graublonde Haare und trägt fließende bunte Stoffe. Herr Krause ist zum Umarmen da. Grego sitzt am liebsten auf seinem Schoß und spielt mit seinen Haaren. Nur einmal sind alle ratlos. Sie wollen zum Einkaufen fahren in die Innenstadt von Solingen, aber Grego will nicht ins Auto. Er schreit und zerrt an den Eltern, bis sie verstehen, dass er Angst hat, sie würden ihn wieder wegbringen. Manchmal erzählt er vom Heim. Und meistens geht es darum, dass die Erzieherinnen ihn auf den Hintern gehauen haben, wenn er etwas falsch gemacht hatte. "Grego en Haiti?" Ob er wieder dahin zurückmuss, fragt er dann immer. "Nein, musst du nicht", beruhigt ihn Frau Krause.
Unterwegs: Samstags fährt die ganze Familie zur Bücherhalle, Grego hat wie immer seinen Rucksack dabei
Er ist acht Wochen da, als er das erste Mal allein mit dem Roller nach draußen geht. Es ist Samstagnachmittag, die Krauses sitzen im Wintergarten und trinken Tee. Durch die Glasscheiben können sie sehen, wie Grego auf dem benachbarten Schulhof seine Runden dreht. Ein kleiner Haitianer mit Daunenjacke und blauem Sturzhelm, der versucht, das Gleichgewicht zu halten. Zwischendurch kommt er zurück, klingelt, dann verschwindet er wieder. Später präsentiert er stolz seine neuen Schuhe: "Win, guck ma, ça c'est Grego. Nur für draußen." Breites Grinsen bis an die Ohren.
Warum der Junge so fröhlich ist? Warum er scheinbar so unverletzt durch alle Katastrophen in seinem Leben gegangen ist, können sich die Eltern nicht erklären. Offenbar verfügt er über eine Eigenschaft, die Psychologen als Resilienz, ein Gedeihen trotz widriger Umstände, bezeichnen. Resiliente Kinder sind Krisenmeister. Sie besitzen außergewöhnliche innere Stärken, die ihnen dabei helfen, mit erfahrenem Leid umzugehen. Doch nicht allein ihre Persönlichkeit spielt hierbei eine Rolle, sondern auch, wie eine Familie reagiert. Wenn sie optimistisch ist, gibt sie auch ihren Kindern Kraft. Die Krauses strahlen diese Zuversicht aus. "Wir schaffen das schon", ist ihr Lebensmotto. Ob Grego diesen Optimismus schon bei seinen leiblichen Eltern gespürt hat? Herr und Frau Krause wissen es nicht. Aber sie würden sowieso nicht öffentlich darüber sprechen. Grego soll nicht aus der Zeitung von seinen Eltern in Haiti erfahren, sondern von ihnen, wenn er größer ist.
Intuitiv machen sie und ihr Mann vieles richtig. Das war schon bei Pytagore so und jetzt bei Grego. Sie vermitteln ihnen Sicherheit. Sicherheit heißt für Grego in den ersten Monaten: Es ist immer einer zu Hause, beide Eltern gehen abwechselnd ins Büro. Es gibt feste Strukturen, mittags essen die Kinder bei den Großeltern nebenan. Abends bringt Herr Krause die Jungs ins Bett. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand dreht er die Rastalocken von Pytagore, in der linken Hand hält er Grego, so lange, bis beide eingeschlafen sind. Und nie ist einer der Eltern über Nacht weg.
Sie investieren viel Zeit und Liebe in ihre Söhne aus Haiti. Außerdem Geige und Tennis für den Großen. Deutsch lernen mit dem Kleinen. Sie unterscheiden sich darin nicht von anderen Eltern ihrer Generation mit hohem Bildungsanspruch. Doch das Paar bleibt dabei gelassen. Rundumbespaßung für Grego sieht Martin Krause nicht ein. In den Monaten, bevor der Kleine in den Kindergarten geht, arbeitet er an zwei Tagen in der Woche in seinem Homeoffice. Grego muss sich dann allein beschäftigen - was ihm hier im Eldorado des Spielzeugs sichtlich nicht schwerfällt. Und die Eltern pflegen weiterhin ihre Hobbys. Seit 18 Jahren gehen sie auf Open-Air-Konzerte. Jetzt eben mit Kindern. Christine Krause sagt: "Ich bin keine Glucke." Wenn Grego durch das ganze Haus "Mama" ruft, springt sie nicht gleich auf.
Im Juli fährt die Familie zum "Erdbebenkindertreffen" in ein Feriendorf im Westerwald. Die Mitglieder der beiden Adoptionsvereine treffen sich dort jeden Sommer, nur sind diesmal Eltern dabei, die alle auf einen Schlag ihre Kinder bekommen haben. Satte grüne Hügel, flirrende Hitze, dazwischen ein Dutzend Bobby-Cars mit kleinen Haitianern darauf, die die Asphaltwege runterbollern.Die Heimmutter Gina Clodomir, eine rundliche, resolute Frau, ist aus Port-au-Prince angereist. Als Grego sie sieht, versteckt er sich hinter seiner Mutter. Frau Clodomir braucht Geld, um in Portau- Prince neue Häuser für das Heim zu bauen. Ein halbes Jahr ist seit dem Erdbeben vergangen. Noch immer wird im Hof gezeltet. Das "Don d'Amour" ist inzwischen wieder voll belegt mit Kindern, die von ihren Eltern nicht mehr versorgt werden können. Und die Heimleiterin hat Fotos vom Erdbeben mitgebracht.
Die deutschen Eltern wollen von ihr vor allem Informationen über ihre Kinder. War das Mädchen schon immer so scheu? Es lässt sich kaum anfassen, schreckt vor jeder Berührung zurück. Und hat der dicke Junge schon immer so viel gegessen? Er stopft alles in sich hinein.
Nicht bei allen Adoptiveltern verläuft der Alltag so undramatisch wie bei den Krauses. Manche Eltern sind nur noch müde. Ihre Kinder finden nachts keinen Schlaf. Sie fürchten sich davor, die Augen zu schließen, weil nichts schlimmer ist, als sich selbst und die Welt in der Dunkelheit zu verlieren. Die Krauses haben das selbst einmal erlebt. Jetzt machen sie anderen Mut. Grego macht weiterhin Fortschritte. Im September klingt sein Deutsch wie Gesang, mit hellen Vokalen, die er so lange dehnt, bis er Luft holen muss. Zum ersten Mal sagt er: "Ich will". Und er testet Grenzen aus. So lange, bis auch Frau Krause sauer wird. Das ist gut so. Er fühlt sich jetzt so sicher, dass er auch mal eine "böse Mama" riskiert. Und wenn er Mist gebaut hat, lügt er sie nicht mehr an. Sein Bruder hatte in so einer Situation schon mal gefragt: "Schickt ihr mich jetzt auch weg wie meine Eltern?" Sie habe ihm dann erklärt, dass seine Eltern ihn auch lieb hatten, aber nicht ernähren konnten, sagt Frau Krause.
Die größte Hürde steht der Familie noch bevor. Die Pubertät gilt bei Adoptivkindern als explosive Zeit. Da wird die über Jahre geknüpfte Bindung zu den nicht biologischen Eltern oft vor eine Zerreißprobe gestellt. Pytagore hat das schon mal ausgetestet: "Du hast mir nichts zu sagen, weil du nicht meine richtige Mutter bist!" Frau Krause hat sich davon nicht kränken lassen: "Tja, da hast du Pech gehabt, denn ich sage es dir trotzdem." Grego hat bisher noch nicht nach seinen Eltern in Haiti gefragt. Wenn es so weit ist, werden die Krauses ihm eine Mappe geben, in der sie alle Informationen über seine Vergangenheit gesammelt haben. Sie haben auch Fotos und Berichte von Grego an die Heimleiterin in Haiti geschickt. Ob die Eltern sie sich angesehen haben, wissen sie nicht. Die Stadt liegt noch immer in Trümmern. "Aber wir wissen, dass Gregos Mutter lebt."
Es wird Herbst, als Grego das erste Mal wieder fliegen soll. Urlaub auf den Kanaren. Schon Wochen vorher redet er davon. Er hat Angst, wieder weggeschickt zu werden. Die Familie versichert ihm immer wieder: Wir kommen alle zusammen zurück. Am 10. Oktober schickt Martin Krause eine SMS: "Flug war gut, Jungs mit großen Augen am Fenster." Zwei Wochen später: "Letzter Gruß aus der Sonne. Grego besteht jetzt vehement darauf, nach Solingen zu kommen. Kalt und Regen sind egal. Er WILL jetzt nach Hause."
Haiti - ein geschundenes Land
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Ein Erdbeben der Stärke 7,0 erschütterte am 12. Januar 2010 den karibischen Inselstaat Haiti. Mehr als 220 000 Menschen starben, über 300 000 wurden verletzt. Die Katastrophe traf ein geschundenes Volk: Haiti gilt als ärmstes Land der westlichen Hemisphäre, rund 50 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos, etwa 80 Prozent müssen mit weniger als zwei US-Dollar pro Tag auskommen. Politische Instabilität, Korruption und Misswirtschaft ruinierten den einst wohlhabenden Staat. Immer wiederkehrende Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Zyklone, zuletzt im Jahr 2008, verhinderten außerdem, dass sich das Land erholte. Fast ein Jahr nach dem Erdbeben leben in der Hauptstadt Port-au- Prince noch immer Hunderttausende in Zeltstädten, ohne Strom, sauberes Wasser, ohne ein funktionierendes Abwassersystem. Erste Cholera-Fälle treten auf, am 22. Oktober 2010 bestätigt die Regierung den Ausbruch der Seuche. Ende November sind bereits mehr als 1200 Menschen daran gestorben, tausende infiziert, es kommt zu Aufständen gegen die Blauhelme. Die Weltgesundheitsorganisation in Genf warnt, dass der Höhepunkt der Epidemie noch bevorstehe.
Der Verein "Eltern für Kinder" möchte mit Spendengeldern ein erdbebensicheres Haus für das Heim "Don d'Amour" aufbauen - derzeit schlafen die Kinder noch in Notunterkünften aus Holz. Der Verein plant zudem eine Einrichtung für behinderte und kranke Kinder, die nicht für Adoptionen vermittelbar sind. Spenden für diese Projekte von "Eltern für Kinder" an: Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 100 205 00; Konto Nr. 33 83 604; Verwendungszweck "Haiti".