Business with poverty

29 June 2005

In Hungary, Slovakia, Romania and Bulgaria, hundreds of thousands of Roma live in poverty without medical care, heating or running water. Open discrimination, high unemployment and a lack of school and vocational training determine everyday life. Organized crime also takes advantage of the desire for a better life. Christiane Feller reports.

Frida Uyttebrouck is on patrol again. The policewoman has been roaming downtown Brussels with her two colleagues for many years, making sure that everything is okay. A woman is sitting on the side of the road with a small child. You hold your hands on. The policemen politely ask for the ID.

The beggar woman's papers from Romania are in order. Only the three-year-old daughter belongs in kindergarten, the policewoman warns, and not to go begging on the street.

Begging mothers with their toddlers, twelve-year-old girls who wrest a few cents from motorists on the four-lane incursion to the EU quarter for cleaning the windshield - this is a common sight not only in Brussels, but also in other large cities. But what sometimes seems annoying to the morning driver is often born of necessity, says the Roma Valeriu Nicolae:

“Most children run away from home, flee from extremely poor circumstances because they simply can no longer bear it. Some of them have been abused and have alcoholic fathers. They then go to the big cities in Romania, Slovakia, Bulgaria and Moldova. There they also live in poor conditions. The west appears as a land of milk and honey. The criminals know that. "

Europol, “Europe's Police Office” in The Hague, prefers to keep quiet about what kind of criminals these are. Only one thing is known for certain - as the International Office for Migration in Brussels confirms: As a rule, the Roma are not among the perpetrators, but among the victims. 35-year-old Valeriu Nicolae himself comes from a poor Roma family in Romania. But he was lucky and was able to study with the help of a scholarship:

“I also grew up on one of these rubbish heaps, went to a special school, and spoke hardly any Romanian. Then they did this intelligence test on me with the result: I am quite intelligent. "

For a good two years now, Valeriu Nicolae has headed the ERIO, the “European Roma Information Office” in Brussels. The lobbyist Nicolae knocks on the door of EU officials, European parliamentarians and Belgian authorities, wants to raise awareness of the problems of his compatriots, especially those of children. He describes how the smugglers work:

“They go to the families and say: Hey, we'll take care of things and pay you a lot of money. You buy a child for 100 US dollars. They tell the parents that the child will learn French and live in a nice house. They show pictures and promise that the child will come back in a year. Very poor families like to believe in miracles. "

One who cares is Roeli Post. The EU Commission official has traveled to Romania 43 times in the past six years - to the Roma ghettos. There, says the Dutch woman with the fiery red hair, she found not the Third, but the Fourth World. Poverty, says Roeli Post, is the Roma’s great dilemma and good business for criminals across Europe:

“It looks like Belgium is more and more a transit country. Children are brought in and then shipped back. This is often the case with child trafficking. It starts, for example, in Belgium, then it goes to France or Italy, or to Austria. I think it's more of a European problem and not a specifically Belgian one. "

The roots of begging Roma lie in poverty and a lack of prospects, according to a report by the George Soros Foundation. Together with the World Bank, they have proclaimed the “Decade of Roma Inclusion 2005 to 2015”. Eight Central and Eastern European countries take part. From the end of the year, money will also flow from the EU Commission's pot: Brussels wants to invest 30 million euros to fight poverty in the Roma ghettos, from Hungary's former Minister of Education Kósáne Kovács, a member of the EU Parliament and herself Roma says the conditions in Africa are worst.

It is not only criminals who want to capitalize on poverty. Sometimes people turn up in the Roma ghettos, explains Valeriu Nicolae, who offer between 5,000 and 20,000 euros for a Roma kidney or liver. The bad thing, he says, is that there is always someone willing to trade their kidney for money.

=============================================

Geschäft mit der Armut

Schlepperbanden locken osteuropäische Kinder mit Versprechungen in den Westen

In Ungarn, der Slowakei, in Rumänien und Bulgarien leben Hundertausende Roma in Armut, ohne medizinische Versorgung, Heizung oder fließend Wasser. Offene Diskriminierung, hohe Arbeitslosigkeit und mangelnde Schul- und Berufsausbildung bestimmen den Alltag. Den Wunsch nach einem besseren Leben macht sich auch das organisierte Verbrechen zunutze. Christiane Feller berichtet.

Bettelnde Roma: "Sehr arme Familien glauben gern an Wunder". (AP)

Bettelnde Roma: „Sehr arme Familien glauben gern an Wunder“. (AP)

E-Mail

Teilen

Tweet

Pocket

Drucken

Podcast

Frida Uyttebrouck ist wieder mal auf Streife. Seit vielen Jahren schon zieht die Polizistin gemeinsam mit ihren beiden Kollegen durch Brüssels Innenstadt und schaut nach dem Rechten. Am Straßenrand sitzt eine Frau mit einem kleinen Kind. Sie halten die Hände auf. Die Polizisten fragen höflich nach dem Ausweis.

Die Papiere der Bettlerin aus Rumänien sind in Ordnung. Nur die dreijährige Tochter gehöre ja wohl in den Kindergarten, mahnt die Polizistin und nicht zum Betteln auf die Straße.

Bettelnde Mütter mit ihren Kleinkindern, zwölfjährige Mädchen, die an der vierspurigen Einfallschneise zum EU-Viertel den Autofahrern ein paar Cent abtrotzen für die Reinigung der Windschutzscheibe – nicht nur in Brüssel, auch in anderen Großstädten ist das ein alltägliches Bild. Doch was dem morgendlichen Autofahrer manchmal lästig scheint, ist vielfach aus der Not geboren, sagt der Roma Valeriu Nicolae:

„Die meisten Kinder laufen von zu Hause weg, flüchten aus extrem armen Verhältnissen, weil sie es einfach nicht mehr ertragen können. Manche von ihnen sind missbraucht worden, haben alkoholkranke Väter. Die gehen dann in die großen Städte in Rumänien, der Slowakei, in Bulgarien, in Moldawien. Dort leben sie ebenfalls in armen Verhältnissen. Der Westen erscheint als Schlaraffenland. Die Kriminellen wissen das.“

Welche Art von Kriminellen das sind, darüber will Europol, „Europas Polizeiamt“ in Den Haag, lieber Stillschweigen bewahren. Nur eines weiß man genau –, das bestätigt auch das Internationale Büro für Migration in Brüssel: Die Roma zählen in der Regel nicht zu den Tätern, sondern zu den Opfern. Der 35jährige Valeriu Nicolae stammt selbst aus einer bettelarmen Roma-Familie in Rumänien. Doch er hatte Glück, konnte mit Hilfe eines Stipendiums studieren:

„Ich bin auch auf einem dieser Müllhaufen aufgewachsen, ging auf eine Sonderschule, sprach kaum Rumänisch. Dann haben sie diesen Intelligenztest mit mir gemacht mit dem Ergebnis: Ich sei ziemlich intelligent.“

Seit nunmehr gut zwei Jahren leitet Valeriu Nicolae das ERIO, das „Europäische Roma Informationsbüro“ in Brüssel. Der Lobbyist Nicolae klopft an die Tür von EU-Beamten, Europaparlamentariern und Belgiens Behörden, will das Bewusstsein schärfen für die Probleme seiner Landsleute, speziell die der Kinder. Er beschreibt, wie die Schlepperbanden arbeiten:

„Die gehen zu den Familien und sagen: Hey, wir kümmern uns und zahlen dir viel Geld. Sie kaufen ein Kind für 100 US Dollar. Den Eltern erzählen sie, dass das Kind französisch lernen und in einem schönen Haus leben wird. Sie zeigen Bilder und versprechen, dass das Kind in einem Jahr wieder zurückkommen wird. Sehr arme Familien glauben gern an Wunder.“

Eine, die sich kümmert ist Roeli Post. 43 Mal reiste die Beamtin der EU-Kommission in den vergangenen sechs Jahren nach Rumänien – in die Ghettos der Roma. Dort habe sie, sagt die Niederländerin mit den feuerroten Haaren, nicht die Dritte, sondern die Vierte Welt vorgefunden. Die Armut, sagt Roeli Post, sei das große Dilemma der Roma und ein gutes Geschäft für Kriminelle in ganz Europa:

„Wie es aussieht, ist Belgien mehr und mehr ein Transitland Kinder werden hereingebracht und dann wieder verschifft. Das ist beim Kinderhandel oft so der Fall. Das fängt zum Beispiel in Belgien an, dann geht es nach Frankreich oder Italien, oder nach Österreich. Es ist, glaube ich, eher ein europäisches Problem und kein spezifisch Belgisches.“

Die Wurzeln bettelnder Roma liegen in der Armut und Perspektivlosigkeit, heißt es in einem Bericht der George Soros Foundation. Gemeinsam mit der Weltbank haben sie das „Jahrzehnt der Roma-Einbeziehung 2005 bis 2015“ ausgerufen. Acht Mittel-und Osteuropäische Länder nehmen daran teil. Auch aus dem Topf der EU-Kommission wird ab Ende des Jahres Geld fließen: 30 Millionen Euro will Brüssel investieren, um die Armut in den Roma-Ghettos zu bekämpfen, von der Ungarns ehemalige Erziehungsministerin Kósáne Kovács, Abgeordnete im EU-Parlament und selbst eine Roma sagt, es herrschten schlimmste afrikanische Zustände.

Aus der Armut wollen nicht nur Kriminelle Kapital schlagen. Manchmal tauchen in den Roma-Ghettos Leute auf, erzählt Valeriu Nicolae, die zwischen 5000 und 20.000 Euro für eine Roma-Niere oder Leber anbieten. Das Schlimme ist, sagt er, es gäbe immer jemanden, der bereit sei, seine Niere gegen Geld einzutauschen.

.